Mittwoch, 10. März 2004
Mein Wannenbad
Es muss wieder mal sein.
Also: Ich steige hinein
in zirka zwei Kubikmeter See.
Bis übern Bauch tut es weh.

Das Hähnchen plätschert in schamlosem Ton,
ich atme und schnupfe den Fichten-Ozon,
Beobachte, wie die Strömung läuft.
Wie dann clam, langsam mein Schwamm sich besäuft
und ich ersäufe, um allen Dürsten
gerecht zu werden, verschiedene Bürsten.
Ich seife, schrubbe, ich spüle froh.
Ich suche auf Ausguck
vergebens nach einem ertrinkenden Floh,
doch fort ist der Hausjuck.

Ich lehne mich weit und tief zurück,
genieße schaukelndes Möwenglück.
Da taucht aus der blinkenden Fläche, wie
eine Robinsoninsel, plötzlich ein Knie;
dann - massig - mein Bauch - eines Walfisches Speck.
Und nun auf den Wellen (nach meinem Belieben
herangezogen, davon getrieben),
als Wogenschaum spielt mein eigenster Dreck
und auf dem Gipfel neptunischer Lust,
klebt sich der Waschlappen mir an die Brust.

Brust, Wanne und Wände möchten zerspringen,
denn ich beginne nun, dröhnend zu singen
die allerschwersten Opern-Kaliber.
Das Thermometer steigt über Fieber,
das Feuer braust und der Ofen glüht,
aber ich bin schon so abgebrüht,
dass mich gelegentlich Explosionen -
wenn’s an mir vorbei geht --
erfreu’ n, weil manchmal dabei was entzwei geht,
was Leute betrifft, die unter mir wohnen.

Ich lasse an verschiedenen Stellen
nach meinem Wunsch flinke Bläschen entquellen,
erhebe mich mannhaft ins Duschengebraus.
Ich bück' mich. Der Stöpsel rülpst sich heraus
und während die Fluten sich gurgelnd verschlürfen,
spannt mich das Bewusstsein wie himmlischer Zauber,
mich überall heute zeigen zu dürfen,
denn ich bin sauber. ------

Joachim Ringelnatz



Dieses Ringelnatz-Gedicht erinnert mich
an meine Kindheit.

Unsere Badezeremonie ging so:
Bei uns, hat meine Mutter samstags abends eine Zinkwanne in die große Wohnküche getragen,
Stühle rund herum gestellt und sie mit Decken behängt.
(Das war dann der Sichtschutz)
Nun wurden auf dem Kohlenherd große Waschkessel mit Wasser erhitzt und unter Lebensgefahr in die Wanne geschüttet. Kessel mit kaltem Wasser hinzu, bis die richtige Badetemperatur erreicht.
Das jüngste Kind, natürlich ich, durfte als erstes ins Wasser,
mein Bruder verkraftet das heute noch nicht. Nun brauche ich ja nicht mehr erzählen, dass wir eigentlich recht arme Leute waren und in einem zweihundert Jahre altem Haus (1798) lebten, das heißt heute noch leben. In diesem Haus war das Wort Badezimmer ein Fremdwort, mich hat das Haus gefangen, ich lebe hier schon immer und bin auch nie weggezogen. Ich bin unter dem Sternzeichen Stier geboren und diese Stiere sind sehr erdverbunden, daran muss es wohl liegen. Die sanitären Verhältnisse sind in der Zwischenzeit gelöst, das Haus liebe ich noch immer und hier werde ich für immer bleiben.


Laura

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Laura, Du bist ja noch früher unterwegs, als ich.
Schön, Deine Geschichte vom alten Haus. Ich wünschte, ich hätte so etwas. Ich würde es auch lieben. Manchmal (nein, oft) träume ich davon, ein winziges altes Haus zu besitzen mit einem Garten drum herum, in dem ich meine Kräuter ziehen könnte. Ich wäre mit sehr wenig zufrieden, wenn ich dort nur meine Ruhe haben könnte.
"Villa bück Dich" nennen wir solche Häuschen. Katja hat eines, und ich fühle mich dort sehr wohl. Für mich wird das wohl ein unerfüllbarer Traum bleiben, aber immerhin ein Traum.

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