Dienstag, 9. März 2004
Frühlingsbotschaft von Heinrich Heine (1797-1856)
Frühlingsbotschaft

Leise zieht durch mein Gemüt
Liebliches Geläute.
Klinge, kleines Frühlingslied,
Kling hinaus ins Weite.
Kling hinaus bis an das Haus,
Wo die Veilchen sprießen!
Wenn du eine Rose schaust,
Sag, ich lass sie grüßen.




Heute ein kleiner Auszug aus der
Überinterpretation zum Marburger Abend „Komische Lyrik“

„Ich aber hatte Zahnweh im Herzen.“
Au Backe!
„Leise zieht durch mein Gemüt Liebliches Geläute“ –
es ist ein sich ankündigender Zahnschmerz,
der seinerseits mit der allgemeinen Befindlichkeit („Gemüt“) parallelisiert wird.
Ohne Zweifel muss der leidende Poet sich mit dem Gedanken vertraut machen,
die Praxis seines Zahnarztes aufzusuchen,
und wird dabei zweifellos bitter an bereits hinter sich gebrachte Wurzelbehandlungen erinnert. Möglicherweise meldete sich damals gerade auch einer der Weisheitszähne. Darum lauten die ersten beiden Zeilen der zweiten Strophe im wiederholenden Anklang an die erste Strophe, was für die Unaufhaltsamkeit der sich kräftig meldenden Zahnschmerzen spricht, in ebenfalls zur Jahreszeit passenden euphemistischen Weise: »Kling' hinaus, bis an das Haus, / Wo die Blumen sprießen, dann folgt der Schluss medizinischer Anspielung auf eine mögliche Entzündung, die sich der Dichter nun wirklich nicht an den Hals wünscht und deshalb durch den freundlichen Gestus eines sozusagen mittelalterlichen Besprechens in seine Schranken weist: »Wenn du eine Rose schaust, /Sag' ich lass' sie grüßen“. Mit anderen Worten „Zahnweh und schließlich sich ergebende Zahnfleisch- Kieferentzündung, ihr könnt mir gestohlen bleiben! Die viel friedvoller ausgedrückte Schlusswendung und Grußformel mag der Beleg dafür sein, dass der Schmerz wirklich nachließ. Es scheint also in der Tat festzustehen, dass in verschlüsselte, freundliche Verse gebrachte Reaktionen auf körperliche Attacken ein probates Hausmittel bei Zahnschmerz und vielleicht auch bei anderen Erkrankungen darstellen, jedenfalls bei einem Dichter vom Range eines Heinrich Heine. Uns, die wir von den großen Geistern lernen können, zeigt dieses Exempel: Freundliche Geduld wirkt Wunder, im Umgang mit uns selbst und mit anderen. Insofern ist dieses kleine Zahnweh-Gedicht ein Beispiel für unsere besten humanistischen Traditionen.
Joseph A. Kruse




Ich habe noch etwas zum Schmunzeln, hoffentlich hatte
Heinrich Heine( beim Dichten des Gedichts )
keine Zahnschmerzen mehr


Heinrich Heine

Die Libelle:

Es tanzt die schöne Libelle
wohl auf des Baches Welle;
Sie tanzt daher, sie tanzt dahin,
die schimmernde, flimmernde Gauklerin.

Gar mancher junge Käfertor
bewundert ihr Kleid von blauem Flor,
bewundert des Leibchens Emaille
und auch die schlanke Taille.

Gar mancher junge Käfertor
sein bisschen Käferverstand verlor;
die Buhlen sumsen von Lieb und Treu,
versprechen Holland und Brabant dabei.

Die schöne Libelle lacht und spricht:
»Holland und Brabant brauch ich nicht,
doch sputet Euch, Ihr Freier,
und holt mir ein Fünkchen Feuer.

Die Köchin kam in Wochen,
muss selbst mein Süpplein kochen;
die Kohlen des Herdes erloschen sind -
holt mir ein Fünkchen Feuer geschwind“

Kaum hat die Falsche gesprochen das Wort,
die Käfer flatterten eilig fort.
Sie suchen Feuer, und lassen bald
weit hinter sich den Heimatwald.

Sie sehen Kerzenlicht, ich glaube
in einer erleuchteten Gartenlaube;
und die Verliebten, mit blindem Mut
stürzen sie sich in die Kerzenglut.

Knisternd verzehrten die Flammen der Kerzen
die Käfer und ihre liebenden Herzen;
die einen büßten das Leben ein,
die andern nur die Flügelein.

Oh wehe dem Käfer, welchem verbrannt
die Flügel sind! Im fremden Land
Muss er wie ein Wurm am Boden kriechen,
mit feuchten Insekten, die hässlich riechen.

Die schlechte Gesellschaft, hört man ihn klagen,
ist im Exil die schlimmste der Plagen.
wir müssen verkehren mit einer Schar
von Ungeziefer, von Wanzen sogar.

Die uns behandeln als Kameraden,
weil wir im selben Schmutze waten -
drob klagte schon der Schüler Virgils,
der Dichter der Hölle und des Exils.

Ich denke mit Gram an die bessere Zeit,
wo ich mit beflügelter Herrlichkeit
im Heimatäther gegaukelt,
auf Sonnenblumen geschaukelt.

Aus Rosenkelchen Nahrung sog
und vornehm war, und Umgang pflog,
mit Schmetterlingen von adligem Sinn,
und mit der Zikade, der Künstlerin -

Jetzt sind meine armen Flügel verbrannt;
ich kann nicht zurück ins Vaterland,
ich bin ein Wurm, und ich verrecke
und ich verfaule im fremden Drecke.

O, dass ich nie gesehen hätt’
die Wasserfliege, die blaue Kokett
Mit ihrer feinen Taille -
die schöne, falsche Kanaille!

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