Montag, 13. Dezember 2004
Nur Hausfrau
"Ohne Beruf", so stand es im Pass,
mir wurden fast die Augen nass.
Ohne Beruf" war da zu lesen,
dabei ist sie das nützlichste Wesen!
Nur für andere zu sinnen, zu sorgen,
ist ihr Beruf vom frühen Morgen
bis in die Tiefe der kargen Nacht,
nur für der ihren Wohl bedacht.
Gattin, Mutter und Hausfrau zu sein,
schließt das nicht alle Berufe ein?
Als Köchin aller Lieblingsspeisen,
als Packer, wenn es geht auf Reisen.
Als Chirurg, wenn ein Dorn im Finger zersplittert,
als Schiedsmann, bei Kämpfen erbost und erbittert.
Schneider aller Kleider und Röcken,
Finanzgenie, wenn sich der Beutel soll strecken.
Als Lexikon, das schier alles soll wissen,
als Flickfrau, wenn Strümpfe und Wäsche zerrissen,
als Märchenerzählerin ohne Ermüden,
als Hüterin des Hauses Frieden.
Als Puppendoktor, als Dekorateur,
als Gärtner, Konditor und als Friseur.
Unzählige Titel könnt´ ich noch sagen
doch, soll sich der Leser länger nicht plagen,
von Frauen, die Gott zum Segen erschuf
und das nennt die Welt dann:"Ohne Beruf".

Regine Böhm

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Montag, 29. November 2004
Heute am Weg



Heute am Weg

Das Glück muß entlang dem Wege gefunden werden,
nicht am Ende der Straße;
denn dann ist die Reise vorüber
und es ist zu spät.
Die Zeit für das Glück ist heute, nicht morgen.
Ein Strom von Gelegenheiten fließt ununterbrochen an uns vorüber:
während den Stunden, die wir zu Hause verbringen;
im Büro oder im Laden oder in der Fabrik,
in der wir arbeiten;
wenn wir die Straße entlang gehen;
wenn wir mit der Bahn oder mit dem Flugzeug oder mit dem Bus reisen
- wo immer wir sind und was immer wir tun.

David Dunn

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Freitag, 19. November 2004
Störe ich sie sehr?
Störe ich Sie sehr? fragte Oliver den Raben. –
Wobei? sagte der Rabe.
Ich tue ja durchaus nichts. –
Man kann, glaube ich,
die Leute auch beim Nichtstun stören.“

Peter Hacks

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Montag, 15. November 2004
Erwartungen
Wir leben von einer Erwartung zur anderen.
Wir erwarten Besuch.
Wir erwarten unser großes Glück.
Wir erwarten gutes Wetter.
Wir erwarten bessere Zeiten.
Wir erwarten höhere Löhne.
Wir erwarten niedrigere Preise.
Wir erwarten das große los.
Wir erwarten einen großzügigen Chef.
Wir erwarten entgegenkommende Untergebene.
Wir erwarten etwas.
Wir erwarten viel.
Wir erwarten sehr viel.
Wir erwarten alles.
Wir erwarten Unvorstellbares.
Wir erwarten ein gutes Ende.
Wir erwarten gnädige Richter.
Wir erwarten eine schönere Zukunft.
Wir warten ab. Wir warten auf .....
Wir warten schon lange.
Wir erwarten einen Menschen.
Wir erwarten Gott.
Wir erwarten Unmögliches.
Wir erwarten Besserung.
Wir erwarten Linderung.
Wir erwarten Anerkennung.
Wir erwarten von anderen alles.

Wann werden wir beginnen endlich
nichts zu erwarten?!


Vielleicht kann dann alles kommen.

http://www.sinnsprueche.de/Newsletter%20Sinnsprueche12-2002.txt

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Freitag, 12. November 2004
Der starke Kaffee
Ein Mensch, der viel Kaffee getrunken,
Ist nachts in keinen Schlaf gesunken.
Nun muß er zwischen Tod und Leben
Hoch überm Schlummerabgrund schweben
Und sich mit flatterflinken Nerven
Von einer Angst zur andern werfen
Und wie ein Affe auf dem schwanken
Gezweige turnen der Gedanken,
Muß über die geheimsten Wurzeln
Des vielverschlungnen Daseins purzeln
Und hat verlaufen sich alsbald
Im höllischen Gehirn-Urwald.
In einer Schlucht von tausend Dämpfen
Muß er mit Spukgestalten kämpfen,
Muß, von Gespenstern blöd geäfft,
An Weiber, Schule, Krieg, Geschäft
In tollster Überblendung denken
Und kann sich nicht ins Nichts versenken.
Der Mensch in selber Nacht beschließt,
Daß er Kaffee nie mehr genießt.
Doch ist vergessen alles Weh
Am andern Morgen - beim Kaffee.

Eugen Roth

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Montag, 8. November 2004
die Schönheit der Welt
Die Schönheit der Welt
ist ein Wirbel aus Farben
doch in der Mitte der Blüte
herrscht strahlende Stille

Thomas Seidel

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Donnerstag, 14. Oktober 2004
Herbstlied
Bunt sind schon die Wälder,
Gelb die Stoppelfelder,
Und der Herbst beginnt.
Rote Blätter fallen,
Graue Nebel wallen,
Kühler weht der Wind.

Wie die volle Traube,
Aus dem Rebenlaube,
Purpurfarbig strahlt!
Am Geländer reifen
Pfirsiche mit Streifen
Rot und weiß bemalt.

Sieh! Wie hier die Dirne
Emsig Pflaum' und Birne
In ihr Körbchen legt!
Dort, mit leichten Schritten,
Jene goldne Quitten
In den Landhof trägt!

Flinke Träger springen,
Und die Mädchen singen,
Alles jubelt froh!
Bunte Bänder schweben,
Zwischen hohen Reben,
Auf dem Hut von Stroh!

Geige tönt und Flöte
Bei der Abendröte
Und im Mondenglanz;
Junge Winzerinnen
Winken und beginnen
Deutschen Ringeltanz.

von Johann Gaudenz von Salis-Seewis (1762-1834)

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Freitag, 8. Oktober 2004
Ein Schlaflied
Ein Schlaflied

Blauer Abend,
Gutes Schweigen.
Will mich ganz in
Schlummer neigen.

Fern noch rauschen
Nahe Bäume.
Engel bringen
Silberträume.

Schlafe, schlafe ...
Wind und Stille -.
Alles hütet
Gottes Wille.


Francisca Stoecklin
(1894-1931)

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Montag, 20. September 2004
Kleine Dichterkunde - endschallender Reim
Begnüge dich Liebste
An Eveline

Wohl kann ich dich zum Schokoladenladen laden,
Doch nicht mit dir in Baden-Baden baden.
Ich kann dir nicht, was andere schenken, schenken
Und nicht die Welt aus den Gelenken lenken.
Du darfst dich nicht auf Schmuck und Spitzen spitzen,
Wirst nicht mit mir auf goldnen Sitzen sitzen.
Jedoch des Dichters Habe habe,
Vermag es, dass dich and’re Labe labe;
Schon fühl ich es von Liederkeimen keimen,
Ich will sie dir in goldnen Reimen reimen,
Dass dir gar lieblich ihr Getöne töne,
Und dich der Verse Schmuck verschöne, Schöne.

Heinrich Seidel 1842-1906

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Freitag, 17. September 2004
LEBEN IST NICHT GENUG
sagte der Schmetterling,
Sonnenschein, Freiheit
und eine kleine Blume
gehören auch dazu.

(Hans Christian Andersen)

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