Montag, 20. Dezember 2004
Ich freue mich des Lebens
Ich freue mich des Lebens,
suche keine Dornen,
hasche die kleinen Freuden.
Sind die Türen niedrig,
so bücke ich mich.
Kann ich den Stein
aus dem Weg räumen,
so tue ich es;
ist er zu schwer,
so gehe ich um ihn herum -
und so finde ich alle Tage etwas,
das mich erfreut.
Und der Schlussstein,
der Glaube an Gott,
der macht mein Herz froh,
mein Angesicht fröhlich.

Katharina Elisabeth Goethe

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Samstag, 18. Dezember 2004
Rezeptvorschlag für ein ganzes Jahr
Man nehme zwölf Monate,
putze sie ganz sauber von Bitterkeit,

Geiz, Pedanterie und Angst.
Zerlege sie jeden Monat in 30 oder 31 Teile, so dass der

Vorrat genau für ein Jahr reicht.
Es wird jeder Tag einzeln angerichtet,

aus einem Teil Arbeit,
zwei Teile Frohsinn und Humor.

Man füge 3 gehäufte Esslöffel Optimismus hinzu,
1 Teelöffel Toleranz, ein Körnchen Ironie,

und eine Prise Takt.
Dann wird die Masse sehr

reichlich mit Liebe übergossen.
Das fertige Gericht schmückt man

mit einem Sträußchen kleiner Aufmerksamkeiten
und serviert es täglich mit Heiterkeit.

Katharina-Elisabeth Goethe
(Mutter von Johann Wolfgang von Goethe)

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Montag, 13. Dezember 2004
Nur Hausfrau
"Ohne Beruf", so stand es im Pass,
mir wurden fast die Augen nass.
Ohne Beruf" war da zu lesen,
dabei ist sie das nützlichste Wesen!
Nur für andere zu sinnen, zu sorgen,
ist ihr Beruf vom frühen Morgen
bis in die Tiefe der kargen Nacht,
nur für der ihren Wohl bedacht.
Gattin, Mutter und Hausfrau zu sein,
schließt das nicht alle Berufe ein?
Als Köchin aller Lieblingsspeisen,
als Packer, wenn es geht auf Reisen.
Als Chirurg, wenn ein Dorn im Finger zersplittert,
als Schiedsmann, bei Kämpfen erbost und erbittert.
Schneider aller Kleider und Röcken,
Finanzgenie, wenn sich der Beutel soll strecken.
Als Lexikon, das schier alles soll wissen,
als Flickfrau, wenn Strümpfe und Wäsche zerrissen,
als Märchenerzählerin ohne Ermüden,
als Hüterin des Hauses Frieden.
Als Puppendoktor, als Dekorateur,
als Gärtner, Konditor und als Friseur.
Unzählige Titel könnt´ ich noch sagen
doch, soll sich der Leser länger nicht plagen,
von Frauen, die Gott zum Segen erschuf
und das nennt die Welt dann:"Ohne Beruf".

Regine Böhm

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Es treibt der Wind im Winterwalde
Es treibt der Wind im Winterwalde
Die Flockenherde wie ein Hirt,
Und manche Tanne ahnt, wie balde
Sie fromm und lichterheilig wird,
Und lauscht hinaus. Den weißen Wegen
Streckt sie die Zweige hin - bereit,
Und wehrt dem Wind und wächst entgegen
Der einen Nacht der Herrlichkeit.

Rainer Maria Rilke

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