Dienstag, 15. Juni 2004
Durch die Blume
Ein Mensch pflegt seines Zimmers Zierde,
Ein Rosenstöckchen mit Begierde.
Gießt’s täglich, ohne zu ermatten,
Stellts bald ins Licht, bald in den Schatten.

Erfrischt ihm unentwegt die Erde,
Vermischt mit nassem Obst der Pferde,

Beschneidet sorgsam jeden Trieb -
Doch schon ist hin, was ihm so lieb.

Leicht ist hier die Moral zu fassen:
Man muss die Dinge wachsen lassen!

Eugen Roth

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Wir Menschen
"Wir Menschen sind doch nur sehr kleine Rädchen
in dem unendlich wunderbaren Räderwerk
der Schöpfung bzw. Natur."

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Montag, 14. Juni 2004
Nichts ist selbstverständlich
Das Selbstverständliche versteht sich nicht von selbst.
Gehen, stehen, lieben, in Bewegung sein und ruhen,
Dach über dem Kopf, Brot und Wein auf dem Tisch,
Gefährte auf dem Weg. Wasser tränkt dich, Luft
lässt dich atmen, Licht umströmt dich.
Über dir der Himmel, unter dir die Erde,
neben dir der Baum, vor dir der Mensch,
in dir das Leben. Engel begleiten deinen Weg,
Sterne zeigen dir das Ziel, Farben malen Schönheit
in dein Leben. Nichts kannst du machen, alles ist
Geschenk und Gnade, alles zugesprochener Lebensraum.
Empfangender bist du auf deinem Weg.

( Benedikt Werner Traut )

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Für viele
Wie viel Schönheit ist auf Erden
Unscheinbar verstreut;
Möcht ich immer mehr des inne werden;
Wie viel Schönheit, die den Taglärm scheut,
In bescheidnen alt und jungen Herzen!
Ist es auch ein Duft von Blumen nur,
Macht es holder doch der Erde Flur
Wie ein Lächeln unter vielen Schmerzen.
(Chr. Morgenstern)

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Sonntag, 13. Juni 2004
Der Bücherfreund
Ob ich Biblio- was bin?
Phile? "Freund von Büchern" meinen Sie?
Na, und ob ich das bin!
Ha! und wie!
Mir sind Bücher, was den anderen Leuten
Weiber, Tanz, Gesellschaft, Kartenspiel,
Turnsport, Wein und weiß ich was, bedeuten.
Meine Bücher --- wie beliebt? Wieviel?
Was, zum Henker, kümmert mich die Zahl.
Bitte, doch mich auszureden lassen.
Jedenfalls: viel mehr, als mein Regal
Halb imstande ist zu fassen.
Unterhaltung? Ja, bei Gott, das geben
Sie mir reichlich. Morgens zwölfmal nur
Nüchtern zwanzig Brockhausbände heben ---
Hei ! das gibt den Muskeln die Latur.
Oh, ich musste meine Bücherei,
Wenn ich je verreiste, stets vermissen.
Ob ein Stuhl zu hoch, zu niedrig sei,
Sechzig Bücher sind wie sechzig Kissen.
Ja natürlich auch vom künstlerischen
Standpunkt. Denn ich weiß die Rücken
So nach Gold und Lederton zu mischen,
Dass sie wie ein Bild die Stube schmücken.
Äußerlich? Mein Bester, Sie vergessen
Meine ungeheure Leidenschaft,
Pflanzen fürs Herbarium zu pressen.
Bücher lasten, Bücher haben Kraft.
Junger Freund, Sie sind recht unerfahren,
Und Sie fragen etwas reichlich frei.
Auch bei andern Menschen als Barbaren
Gehen schließlich Bücher mal entzwei.
Wie ? - ich jemals auch in Büchern lese??
Oh, sie unerhörter Ese---
Nein, pardon! - Doch positus, ich säße
Auf dem Lokus und Sie harrten
Draußen meiner Rückkehr, ach dann nur
Ja nicht länger auf mich warten.
Denn der Lokus ist bei mir ein Garten,
Den man abseits ohne Zeit und Uhr
Düngt und erntet dann Literatur.
Bücher - Nein, ich bitte Sie inständig:
Nicht mehr fragen! Lass dich doch belehren!
Bücher, auch wenn sie nicht eigenhändig
Handsigniert sind, soll man hochverehren.
Bücher werden, wenn man will, lebendig.
Über Bücher kann man ganz befehlen.
Und wer Bücher kauft, der kauft sich Seelen,
Und die Seelen können sich nicht wehren.
(Joachim Ringelnatz)

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