Die Entstehung des Kusses
Ihr Junggesellen groß und klein,
Und all' ihr holden Mägdelein,
Vernehmet die Historiam,
Woher die Kunst zum Küssen kam.
Herr Adam lag im Paradies
Der Länge nach im Grase,
Erfrischend mit dem Blumenduft
Behaglich seine Nase.
Frau Eva schlummerte so sanft
An ihres Adam Seite;
Man kann sich denken, wie sich da
Der alte Adam freute.
Und als er sie so schlummern sah,
Das Kindlein seiner Rippen,
Da flog ein Bienchen - sum - sum - sum
Auf Evchens Rosenlippen.
Als nun der alte Adam schaut,
Wie dort das Bienchen lecket,
Bekommt er Lust zu wissen auch,
Was ihm so trefflich schmecket.
Das Bienchen, das ihn kommen sah,
Erhob sich, fort zu fliegen,
Und ließ dabei in aller Angst
Dort seinen Honig liegen.
Als nun der Adam seinen Mund
An Evchens Lippen brachte,
Da schmeckt es ihm so wundersüß,
Wie er sich's nimmer dachte.
Und seit der Zeit wird er nicht satt,
Den Mund an Mund zu fügen,
Auch wehrte keineswegs ihm
Frau Eva das Vergnügen.
Jetzt braucht zum Kusse nimmermehr
Erst eine Biene honigschwer
Die Lippen zu versüßen.
Ich küsse auch, weil mir's gefällt,
Die ganze junge Mädchenwelt,
Die alten - laß ich grüßen!
Ludwig Rieg
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